Interview Dr. Hannes Schmid |
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| Interview Dr. Hannes Schmiid
Tirolerinnen und Tiroler schätzen
Raiffeisen als Bankpartner vor Ort
Wie sind die Tiroler Raiffeisenbanken durch die schwierigen
letzten Jahre der Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen?
DR. HANNES SCHMID: 2008 und 2009 waren weltweit wirtschaft-
lich schwierige Jahre, die die Tiroler Raiffeisenbanken in Summe
sehr gut überstanden haben. Dass diese beiden Jahre professi-
onell gemeistert wurden, liegt in erster Linie daran, dass wir ein
so solides, kundenorientiertes Geschäftsmodell haben. Dieses
ist speziell auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt und am
Wirtschaftskreislauf Tirols orientiert. Das bedeutet, vereinfacht
gesagt: Wir sammeln die lokalen Einlagen und vergeben unsere
Kredite an die lokalen Kreditnehmer bzw. an die kleinen und mit-
telständischen Unternehmen. Weiters haben wir die von der Poli-
tik initiierten Investitionsoffensiven fürs Bauen und Sanieren bzw.
für Klein- und Mittelbetriebe voll mitgetragen und entsprechende
Schwerpunkte gesetzt, die bei den Tirolerinnen und Tirolern und
bei heimischen Betrieben sehr gut angekommen sind.
Tirols Wohnhaussanierer und regionale Unternehmer als
Stabilitätsfaktor?
Unbedingt! Die privaten Wohn- bzw. Bau- und
Sanierungsmaßnahmen haben der Tiroler Wirtschaft bedeutende
Impulse verliehen. Dadurch konnten Arbeitsplätze in Tirol gehal-
ten werden! Auch der Tourismus war mitten in der Krise ein we-
sentlicher Erfolgsfaktor. Viele unserer Kunden sind im Tourismus
tätig, sehr viele Investitionen wurden über uns finanziert. Gerade
der Tourismus hat die Entwicklung 2010 hervorragend mitgeprägt
und dabei schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
erfolgreich Paroli geboten.
Auf Augenhöhe unterwegs
Die Tiroler Raiffeisenbanken sind besser durch die Krise
gekommen als andere Kreditinstitute?
Ja! Wir sind schließlich
nicht in der globalen Finanzwirtschaft tätig, sondern in Tirol. Man
kann es beispielsweise so auf den Punkt bringen: „Geht es den
Tirolern gut, geht es den Tiroler Unternehmen gut, dann geht es
auch den Raiffeisenbanken gut!“ Wir sind mit unseren Kunden auf
Augenhöhe tätig. Was die Firmenkunden anbelangt, sind unsere
Hauptkunden Klein- und Mittelbetriebe, Kunden, die wir verstehen
und denen wir gut helfen können! International tätige Großun-
ternehmen sind auch Raiffeisenkunden, gehören aber nicht zu
unseren Kernzielgruppen.
Die Banken wurden von manchen Politikern als Schuldige für
die Finanzkrise bezeichnet, weshalb als eine Art Wiedergut-
machung die Bankensteuer beschlossen wurde?
Ich sehe die
Bankensteuer nicht als Bestrafung für die Verursacher der Krise,
wie es politisch manchmal dargestellt wird. Wenn das so wäre,
würde es die Falschen treffen. Wir betrachten uns als Raiffeisen-
Organisation absolut nicht verantwortlich dafür, was in der glo-
balen Finanzkrise geschehen ist. Unser Geschäftsmodell basiert
auf der lokalen, regionalen Wertschöpfungskette. Und die hat mit
internationalen, riskanten Spekulationsgeschäften rein gar nichts
zu tun und die waren die Ursache für die Finanzkrise.
Was halten Sie daher von der Bankensteuer?
Ich glaube, dass
jede Österreicherin, jeder Österreicher daran interessiert ist, dass
das Budget saniert wird. Das liegt natürlich auch im Interesse jedes
Wirtschaftsunternehmens und damit ebenso im Interesse der Ban-
kenwirtschaft. Man sollte seitens der Verantwortlichen jedoch ganz
besonders darauf achten, dass die Einnahmen aus der Bankensteu-
er nicht ausschließlich zur Senkung des Budgetdefizits eingesetzt
werden, sondern vor allem für Investitionen in die Zukunft. Ich bin
sicher, dass die Einnahmen aus der Bankensteuer nachhaltiger und
besser für eine Bildungsoffensive in Österreich eingesetzt wären.
Was sind die größten Sorgen der Raiffeisenbanken in den
nächsten Monaten?
Die Bankensteuer trifft die österreichischen
Banken schon recht massiv. Es kommen auch neue Regeln
für die Einlagensicherung, obwohl Raiffeisen heute schon die
Einlagen ihrer Kunden über die Kundengarantiegemeinschaft
bis zu 100 % garantiert. Noch mehr treffen die Raiffeisenbanken
aber die Überreglementierungen auf europäischer Ebene. Die
Flut an Bankenregeln beispielsweise für eine Credit Suisse, UBS,
BNP Paribas oder Deutsche Bank gilt im selben Ausmaß für eine
örtliche Raiffeisenbank. Es ist sicher ein hehres Ziel des euro-
päischen Gesetzgebers, dass man mit einer Verordnung für alle
Banken gleiche Rahmenbedingungen schaffen möchte. Die damit
einhergehende Überadministration bzw. Überreglementierung ist
jedoch für die kleineren Bankinstitute schon ein großes Problem,
auch ein Wettbewerbsnachteil zu Lasten der örtlichen Kunden.
„Klassische Überfallsaktionen“
Die Vorschriften im Bankgeschäft werden künftig strenger,
z. B. durch das Bankenabkommen „Basel III“. Kredite müssen
von den Banken mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Kann
ein Tiroler Kleinunternehmen damit rechnen, dass es in Zu-
kunft noch ebenso Kreditfinanzierungen bekommt wie bisher?
Grundsätzlich ja, wenn die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt werden
und sich die Rückzahlbarkeit betriebswirtschaftlich darstellen lässt.
Allerdings werden diejenigen Unternehmen, die für Rückzahlun-
gen bereits jetzt an ihre Grenzen gehen müssen, zukünftig einen
schwierigeren Zugang haben. Erleichterungen wird es durch die
neuen Regeln jedenfalls nicht geben! Aber: Basel III schlägt nicht,
wie manche Medien behaupten, „wie ein Keule zu“, es gibt immer-
hin Übergangsfristen. Basel III ist kein Ereignis wie die Bankensteu-
er oder die Kapitalertragsteuer auf Wertpapiere, die gewissermaßen
in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ eingeführt wurden.
Was raten Sie den Sparern und Kreditnehmern in Tirol also?
Der Schlüssel heißt: „Beratung durch die Experten in der Raiffei-
senbank!“ Die Tiroler Raiffeisenbanken bewähren sich als stabile,
verlässliche Partner mit persönlicher Nähe und mit der Sicherheit,
die die ganze Raiffeisen-Organisation gewährleistet. Wir waren
vor und in der Finanzkrise nicht spekulativ und werden das auch
in Zukunft nicht sein. Unser Geschäftsmodell orientiert sich an
den Bedürfnissen der Kunden. Das Feedback gibt uns recht:
Einerseits gibt es großes Misstrauen gegenüber den Banken im
Allgemeinen, andererseits aber auch eine extrem positive Haltung
zum persönlichen Raiffeisen-Betreuer. Genau darin besteht
das Erfolgsmodell der Raiffeisen-Organisation: Wir sind vor Ort
präsent, mit örtlichen Entscheidungsträgern. Das alles hat auch
gegolten, als es in der Krise manchmal schwierig war.
Wird das von den Kunden auch honoriert oder werden sie
die Lehren aus der Finanzkrise schnell vergessen haben und
wieder auf riskante Renditeversprechen setzen?
Es wäre
sehr erfreulich, wenn sich das stabile Wertesystem einer lokalen
Wertschöpfungskette im Bewusstsein der Menschen nachhaltig
verankern würde. Die Verlockungen des internationalen Kapi-
talmarkts mit all seinen großen Versprechungen wecken jedoch
immer wieder eine menschliche Eigenschaft, die es schon immer
gegeben hat: die Begehrlichkeit! Trotzdem haben die Menschen
in letzter Zeit sehr wohl registriert, dass selbst scheinbar „unsink-
bare Schiffe“ wie ganze Staaten in Frage gestellt werden können.
Das hat unser lokales Geschäftsmodell sehr gestärkt. Unsere
Kunden wissen jetzt die Stabilität, Sicherheit und Verlässlichkeit
von Raiffeisen noch mehr zu schätzen.
Was sind Ihre größten Sorgen für die nächste Zeit?
Dazu zählt
sicher die Überreglementierung im Bankenbereich. Sie blockiert
bei unseren Mitarbeitern Zeit, die wir lieber für die Kunden nützen
würden. Es ist uns deshalb ein großes Anliegen, die persönliche
Dr. Hannes Schmid, Sprecher des Vorstandes der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG,
sieht die Tiroler Raiffeisenbanken in ihrem regionalen Geschäftsmodell in guten
und schlechten Wirtschaftsjahren bestätigt. Auch wenn die Vorschriften im
Bankgeschäft immer strenger und belastender werden, sind die Perspektiven
für die Raiffeisenbanken gut, denn die Tirolerinnen und Tiroler schätzen einen
verlässlichen, nachhaltigen Bankpartner vor Ort.