Seite 30-31 - RLB Geschäftsbericht 2010

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„2011 ist das Jahr der
Sachwerte und Aktien“
Mag. Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen Research, ist für
die Wirtschaftsentwicklung optimistisch und sieht für die österreichischen
Anleger heuer durchaus schöne Chancen auf den Finanzmärkten.
Er rät vor allem zu Investments in Aktien und Sachanlagen.
Die Konjunktur in Europa hat wieder an Fahrt gewonnen. Ist
die Wirtschaftskrise endgültig überstanden, geht es nach-
haltig nach oben?
MAG. PETER BREZINSCHEK: Nach dem
Aufschwung 2010, der hauptsächlich von Exporten getragen
war, ist seit dem Herbst 2010 festzustellen, dass die Investitionen
aufgrund der zuversichtlichen Einschätzungen der Unterneh-
mungen weltweit an Fahrt gewonnen haben und der Konjunktur
mittlerweile auch eine zweite Stütze verleihen, insbesondere auch
in Deutschland und Österreich. Das in Verbindung mit wieder stei-
genden Unternehmensgewinnen führt dazu, dass 2011, aber auch
2012, die Investitionen wahrscheinlich die Träger des Wachstums
sein werden und dafür sorgen, dass Arbeitsplätze geschaffen
werden und in der Folge mehr privater Konsum zur Verfügung
steht. Das sollte dem ganzen Aufschwung eine gewisse Breite
geben. Man kann schon sagen: Der Aufschwung hat eine
Eigendynamik erhalten, die uns zuversichtlich macht, dass dies
bis 2012 anhält. Das verläuft in Europa freilich nicht einheitlich.
Wir haben sehr unterschiedliche Bilder: In hoch verschuldeten
Ländern ist die Wirtschaftsdynamik deutlich schwächer.
Haben Sie keine Angst, dass die Krise gleich ein zweites Mal
zuschlägt – der oft zitierte und befürchtete „Double Dip“?
Der nochmalige Rückfall in die Rezession hat sich als Angst-
märchen herausgestellt. Zwar ist z. B. Großbritannien im vierten
Quartal 2010 geschrumpft, das dürfte sich heuer aber wieder
bessern. Und mit den starken Steuersenkungsmaßnahmen der
Obama-Regierung ist auch der private Konsum in den USA 2011
entlastet.
„Mehr Schulden, weniger Arbeitslose
– ein Märchen“
Einige Experten sagen: Die Wirtschaftskrise ist vorbei, doch
jetzt droht ein Zusammenbruch von hoch verschuldeten
Staaten wie Griechenland. Was würde denn das für Österreich
bedeuten?
Ein Zusammenbruch ist zu negativ formuliert. Es ist
aber sehr wohl so, dass die hoch verschuldeten Staaten ein deut-
lich schwierigeres wirtschaftliches Umfeld vorfinden als jene mit
soliden Staatsfinanzen. Griechenland hatte 2010, aber auch schon
2009, eine rückläufige Wirtschaftsleistung und muss auch jetzt
noch eine schrumpfende Entwicklung in Kauf nehmen, weil das
Land zu lange über seine Verhältnisse gelebt hat. Die These „Mehr
Schulden erkaufen weniger Arbeitslose“ ist leider ein Märchen
und keine ökonomische Tatsache, weil sehr hohe Schulden immer
auch mit hohen Rückzahlungen und harten Sanierungsmaßnah-
men gekoppelt sind. Und diese Sanierungsmaßnahmen kosten
Wachstum. Wir in Österreich sind noch auf der komfortablen Seite,
weil wir nicht diese übertriebenen Schuldenlasten haben, und
daher können wir auch am Aufschwung wieder voll teilnehmen.
Unsere Exporte sind im Vorjahr um einen zweistelligen Prozent-
satz gewachsen und werden auch heuer noch stark wachsen,
Österreich ist, weil es eine vernünftige Wirtschaftsstruktur hat, und
weil die Industrie und die Exportwirtschaft sehr wettbewerbsfähig
sind, in der Lage, den internationalen Aufschwung voll zu nutzen.
Wenn die Notenbanken die Zinsen erhöhen, dann krachen
die hoch verschuldeten Staaten. Wenn sie sie nicht erhöhen,
droht doch eine kräftige Inflation? Was ist denn schlimmer
für uns? Und was werden denn die Notenbanken tun?
Die Notenbanken halten nach wie vor in den USA, Großbri-
tannien, in Japan und in der Eurozone ein historisch niedriges
Zinsniveau. Da wird es in den nächsten zwölf Monaten einen Weg
in Richtung Normalisierung geben. Wir glauben, dass die Zinsen
von den Notenbanken langsam an die Gegebenheiten angepasst
werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat für April die erste
Zinserhöhung angekündigt, der im zweiten Halbjahr noch weitere
folgen sollten. Wir gehen davon aus, dass die Federal Reserve
der EZB in der zweiten Jahreshälfte mit weiteren Zinsschritten
nach oben folgen wird. Aber selbst ein Prozentpunkt höhere
Zinsen werden die Konjunktur nicht abschwächen. Für Euro-Peri-
pherstaaten kann das aber sehr teuer werden. Damit werden aber
die längerfristigen Kapitalmarktsätze, wie schon seit einiger Zeit,
einen weiteren Anstieg erleben, weil auch die Inflationsraten nicht
nur in Europa, sondern auch in den USA und vor allem in den
„Emerging Markets“ nach oben gehen. Für Asien und Lateiname-
rika etwa, aber auch für Osteuropa haben wir die Erwartung, dass
2011 sehr wohl weitere Zinsanhebungen zur Inflationsbekämp-
fung einsetzen werden.
Insgesamt also: Zinsanhebungen ja, aber moderat? Das kann
den Aufschwung jedenfalls nicht gefährden?
Eigentlich müsste
man sagen: Wenn es nach den hohen deutschen und österrei-
chischen Wachstumszahlen geht, dürften die Leitzinsen nicht bei
einem Prozentpunkt liegen, sondern müssten wahrscheinlich bei
3,5 Prozent angesiedelt sein. Aber wir haben eben in der Euro-Zo-
ne den Kompromiss aus guten Volkswirtschaften und solchen mit
Problemen wie Spanien und Griechenland, wo es nach wie vor
Stagnation gibt. Daher beabsichtigt die Europäische Zentralbank
derzeit nicht, auf den vorübergehenden Anstieg der Inflationsrate
über die Zwei-Prozent-Marke mit drastischen Zinsanhebungen,
sondern moderat zu reagieren. Deutschland und Österreich
profitieren davon. Wir sind mit den wirtschaftsfreundlich niedrigen
Zinsen in der gleichen begünstigten Situation wie Spanien, Itali-
en, Griechenland vor zehn Jahren, als sie den Euro übernommen
hatten und die EZB auf den „kranken Riesen“ Deutschland Rück-
sicht nahm. Das gibt uns jetzt natürlich die Chance, im Vergleich
zu den Ertragserwartungen günstige Kredite aufzunehmen und
zu investieren.
Was, wenn die hoch verschuldeten EU-Länder sich nicht aus
der Krise herauswinden können?
Sie müssen herauskommen,
das ist eine Notwendigkeit. Man kann nicht alte Schulden durch
immer neue Schulden zudecken. Die Gläubiger sind da sehr wach-
sam geworden und wollen irgendwann ihr Geld wieder zurückbe-
kommen. Und daher wird es noch weiter gehende Sparmaßnah-
men der hoch verschuldeten Staaten geben müssen. Auch 2012
werden ja viele dieser Länder nach wie vor weit weg sein von den
Maastricht-Stabilitätskriterien. Es werden weiterhin die öffentlichen
Schulden ansteigen, und das ist kein vertrauenserweckendes
Zeichen, das auf den Finanzmärkten belohnt wird. Im Gegenteil:
Die hoch verschuldeten Länder müssen für ihre Staatsschulden
höhere Zinsen zahlen. Es ist klar: Das, was bisher an Sanierungs-
maßnahmen verkündet wurde, ist zu wenig. Das muss durchaus
ambitiöser vonstattengehen. Dann werden auch die Geldgeber
sich mit mehr Vertrauen den Staatsanleihen zuwenden.
Dass die Euro-Zone auseinanderbrechen kann, befürchten
Sie nicht?
Einen Zusammenbruch befürchte ich nicht. Ich gehe
davon aus, dass die hoch verschuldeten Länder die Lehren aus
ihren Fehlern ziehen und auf die Wiederherstellung der Wettbe-
werbsfähigkeit oberste Priorität setzen. Wenn sie diese wiederer-
halten, sind sie auf den internationalen Märkten wieder konkur-
renzfähig, können Steuereinnahmen lukrieren und die hohen
Leistungsbilanzdefizite abbauen und damit müssen auch diese
Länder weniger internationale Kredite aufnehmen.
Finanzminister profitiert
vorerst von Griechenland
Aber kann man bei diesen hohen Staatsschulden überhaupt
noch in Staatsanleihen investieren?
Eines muss man sagen:
Wir sind insgesamt in einer Phase, wo die Renditen auf einem
historisch niedrigen Niveau liegen. Die österreichischen Renditen
im Zehn-Jahres-Bereich mit knapp 3,6 Prozent sind weit tiefer als
zur Zeit vor der Finanzmarktkrise, als sie auf 4,6 Prozent lagen:
Wenn Sie so wollen: Österreichs Finanzminister hat von der
Griechenland-Krise bislang profitiert, er zahlt sehr niedrige Zinsen
für die Staatsschulden, weil die Kapitalmarktsätze weit tiefer
sind, als sie wären, wenn Griechenland und Portugal nicht diese
Schwierigkeiten hätten. Deutschland ist hier der größte Profiteur.
Also keine Staatsanleihen kaufen beim derzeit niedrigen Zinsni-
veau?
Die Konjunktur hat sich erholt, die Kapitalmarktrenditen orien-
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