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Gesamtwirtschaftliche Entwicklung 2010
Aufwärtstrends mit verhaltenem Wachstum
Die Weltwirtschaft setzte im zurückliegenden Jahr 2010 ihren
Aufschwung nach der Wirtschafts- und Finanzkrise weiter fort.
Im Verlauf des Jahres wurde jedoch deutlich, dass sich die
einzelnen Wirtschaftsregionen sehr unterschiedlich entwickel-
ten. Während Deutschland und die Schwellenländer die Loko-
motiven des weltweiten Konjunkturzuges waren, kämpften die
EU-Mittelmeerländer mit großen Problemen. Trotz eines intakten
Aufwärtstrends blieben die Vereinigten Staaten von Amerika mit
einem eher verhaltenen Wirtschaftswachstum weit hinter früheren
Entwicklungsphasen nach Rezessionen zurück. Die Angst vor
einem „Double Dip“ in den USA, also einem erneuten Rückfall in
eine Rezession, verstärkte sich im Jahresverlauf. In den letzten
Monaten des Jahres fielen wichtige Konjunkturindikatoren jedoch
besser als erwartet aus und das Wachstum sollte sich bei ca. 2,8
Prozent einpendeln.
Auch die Eurozone setzte ihre konjunkturelle Erholung im Jahr
2010 fort, doch die Schere zwischen Kernländern und Periphe-
rie ging weiter auseinander. Spätestens mit dem Ausbruch der
Griechenland-Krise im Frühjahr wurde klar, dass vor allem die
sogenannten PIGS-Staaten (Portugal, Irland, Griechenland
und Spanien) jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt hatten.
Im Fahrwasser der Finanzkrise mussten marode Banken und
die Immobilienmärkte mit milliardenschweren Hilfsmaßnahmen
gestützt werden, was die öffentliche Verschuldung dieser Länder
explodieren ließ. Die Maastricht-Kriterien konnten nicht mehr
eingehalten werden. Scharfe Konsolidierungen der öffentlichen
Haushalte in den PIGS-Staaten sowie Steuererhöhungen führten
dort zu teilweise rezessiven Entwicklungen.
Komplett konträr verlief dagegen die Entwicklung in Deutschland.
Das größte Mitgliedsland der Eurozone erntete die Früchte einer
jahrelangen Politik zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der
heimischen Wirtschaft und profitierte vom Nachfrageboom aus
den Wachstumsländern. Deutschland dürfte 2010 ein Wirtschafts-
wachstum von mehr als 3,5 Prozent erzielt haben. Das ist der
höchste Anstieg seit Beginn der deutschen Einheit. Österreich
profitierte von der Stärke Deutschlands, seinem wichtigsten Han-
delspartner, sowie von der spürbaren Erholung Osteuropas und
dürfte ein Wachstum von ca. 1,9 Prozent erreicht haben.
Euro im Jahresverlauf –
Wechselbad der Gefühle
Der Euro erlebte im Jahresverlauf 2010 ein regelrechtes Wechsel-
bad der Gefühle. In den ersten Monaten büßte die europäische
Einheitswährung gegenüber dem US-Dollar rund 20 Prozent ein.
Nach der Bekanntgabe des Euro-Rettungsschirms in Höhe von
750 Mrd. Euro erholte sie sich, um dann mit Beginn der Irland-Kri-
se wieder zu fallen. Fast durchgehend abwärtsgerichtet war der
Kurs des Euro im Jahr 2010 gegenüber dem Schweizer Franken.
So avancierte der Franken – neben dem Gold – zu einer Flucht-
währung für verunsicherte Anleger.
Expansive Geldpolitik der Notenbanken
Die Zentralbanken haben 2010 die erwartete Wende in ihrer Geld-
politik nicht eingeleitet. So gingen viele Finanzmarkt-Analysten
noch am Beginn des Jahres davon aus, dass die Notenbanken
im Jahresverlauf ihre extrem expansive Geldpolitik allmählich
straffen werden. Für das 4. Quartal wurden sogar erste Leitzinsan-
hebungen prognostiziert. Doch es kam ganz anders. Sowohl die
US-Notenbank FED als auch die Europäische Zentralbank EZB
haben im gesamten Jahr ihre expansive geldpolitische Linie nicht
nur beibehalten, sondern noch ausgebaut. Dies gilt insbesondere
für die FED, die ab November ein zweites „Quantitative Easing“-
Programm aufgelegt hat. Das heißt, sie will bis Frühjahr 2011
US-Staatsanleihen in einem Volumen von bis zu 600 Mrd. USD auf-
kaufen, um das Zinsniveau tief zu halten und die Wirtschaft weiter
zu stimulieren. Auch die EZB musste angesichts der Turbulenzen
in der Eurozone ihre überzeugte Ablehnung gegenüber „Besonde-
ren Maßnahmen“ aufgeben. Seit dem Ausbruch der Griechenland-
Krise war sie gezwungen, Euro-Staatsanleihen aufzukaufen. Sie
ging hier aber im Vergleich zur FED sehr behutsam vor.
Starker Preisanstieg bei Industrie-
Rohstoffen, Gold und Silber Top-Performer
Die Preise für Industrie-Rohstoffe setzten ihren Aufwärtstrend
aufgrund der starken Nachfrage, insbesondere aus China, weiter
fort. Der Ölpreis blieb allerdings lange auf einem nahezu gleich-
bleibenden Niveau und stieg erst zu Jahresende um gut 10 Pro-
zent an. Gold zählte aufgrund der herrschenden Unsicherheit zu
den absoluten Top-Performern des abgelaufenen Jahres. In Euro
gerechnet legte der Preis um 40 Prozent gegenüber Ende 2009
zu. Deutlicher gestiegen ist der Silberpreis, der sich im Laufe des
Jahres fast verdoppelte.
Zwei Welten an den Aktienmärkten
Die Aktienmärkte wurden im zurückliegenden Jahr immer wieder
von den Staatsschuldenkrisen belastet. Aber auch die Maßnah-
men der chinesischen Regierung gegen eine Überhitzung der
Wirtschaft des Landes wirkten sich belastend aus. Die überwie-
gend sehr positiven Unternehmensdaten verhinderten stets, dass
es zu einem Ausverkauf an den Börsen kam. Vielmehr gab es auf
den Aktienmärkten monatelang eine Seitwärtsbewegung. Für
zeitweise Verunsicherung sorgten die Ängste um die US-Konjunk-
tur. Mit den zunehmend besseren Konjunkturdaten ab September
verringerten sich die Rezessionsängste in den USA. Zusammen
mit der Ankündigung einer weiteren massiven Lockerung der
Geldpolitik war dies der Startschuss für einen Aufwärtstrend an
den weltweiten Aktienmärkten in den letzten Monaten des Jahres.
Der eigentliche Motor für die Aktien waren aber die sehr guten
Unternehmensdaten sowohl in Europa als auch in den USA. So
fielen die Quartalszahlen der Unternehmen in 2010 überwiegend
besser aus, als am Markt erwartet worden war. Dementsprechend
konnten die Gewinnerwartungen laufend nach oben korrigiert
werden, wodurch die Attraktivität von Aktien stieg. Allerdings fällt
die Aktienbilanz für 2010 sehr differenziert aus. Dies zeigt sich
besonders in Europa. Vor allem der deutsche DAX-Index profi-
tierte von der Stärke der heimischen Wirtschaft, insbesondere im
Export. Auch der österreichische ATX wies, getrieben durch gute
Gewinnentwicklungen der Unternehmen und vorgezogene Aktien-
käufe aufgrund der ab 2011 geltenden Kursgewinnzuwachssteuer,
eine überdurchschnittliche Entwicklung auf. Ein enttäuschen-
der „Underperformer“ war dagegen der europäische Leitindex
EuroStoxx50, der per Saldo im Minus schloss. Im EuroStoxx50
spiegelt sich die Zerrissenheit der europäischen Konjunktur wider,
vor allem aber die weiterhin hohen latenten Risiken im europäi-
schen Bankensektor. Besonders schwach tendierten die südeu-
ropäischen Börsen (Spanien, Italien, Griechenland) aufgrund der
Staatsschuldenkrise. Überraschenderweise konnten auch die
Aktienmärkte einiger Emerging Markets 2010 kaum von der unge-
brochenen Stärke ihrer Volkswirtschaften profitieren. So schloss
der brasilianische Bovespa das Jahr nahezu unverändert ab und
der Hang Seng China-Index blieb sogar im negativen Bereich.
Turbulenzen an den Rentenmärkten
Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone wirkte sich selbst-
verständlich auch auf den Euro-Rentenmarkt als gravierende
Belastung aus. Zeitweise geriet der Euro-Bondmarkt regelrecht
in Aufruhr, denn seit dem Beginn der Griechenland-Krise wurden
Ansteckungsrisiken auf andere Eurostaaten befürchtet. Deshalb
sind die Rendite-Risikoaufschläge von Euro-Staatsanleihen
dieser Länder gegenüber der deutschen Benchmark regelrecht
explodiert. Der Rettungsschirm von über 750 Mrd. Euro konn-
te den Markt für europäische Staatsanleihen nicht nachhaltig
beruhigen. Irland war schließlich der erste Eurostaat, der unter
den Rettungsschirm flüchtete. Von den Unsicherheiten in der Eu-
rozone profitierten zunächst die als sicher geltenden deutschen
Bundesanleihen. So sank die Rendite 10-jähriger deutscher Bun-
desanleihen von über 3 Prozent zeitweise bis auf ca. 2 Prozent. In
den letzten Monaten des Jahres kletterte die Verzinsung jedoch
wieder bis auf 3 Prozent. Griechische Staatsanleihen dagegen
wiesen zuletzt Renditen von über 12 Prozent pro Jahr auf.
Österreichs Wirtschaft
Österreich profitierte von der Stärke Deutschlands, seinem
wichtigsten Handelspartner, sowie von der spürbaren Erholung
Osteuropas und dürfte ein Wachstum von ca. 1,9 Prozent erreicht
haben. Für die kommenden zwei Jahre wird mit einer leichten
Beschleunigung des Wachstumskurses auf 2,1 bzw. 2,3 Prozent
gerechnet.
Getragen wurde der Aufschwung vor allem von einem kräftigen
Wachstum der Exporte. Die Ausfuhr von Waren konnte um real
10,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden, wobei
vor allem die Nachfrage aus den asiatischen Ländern deutlich zu-
legte. Nach dieser starken Erholung ist beim Export für das kom-
mende Jahr mit einer Wachstumsabschwächung auf 7 Prozent
zu rechnen. Weniger dynamisch entwickelte sich hingegen die
Inlandsnachfrage. Das Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen
drehte angesichts der im Zuge der Finanzkrise gesunkenen Ka-
pazitätsauslastung erst zur Jahresmitte 2010 wieder ins Plus und
damit deutlich später als in vergangenen Aufschwungphasen.
Zudem blieben die privaten Haushalte aufgrund einer schwachen
Reallohnentwicklung im abgelaufenen Jahr bei ihren Konsumaus-
gaben zurückhaltend. Eine positive Überraschung brachte der
österreichische Arbeitsmarkt mit einem Beschäftigungszuwachs
von 35.000 Personen. Dadurch konnte die Arbeitslosigkeit von
4,8 Prozent im Jahr 2009 auf 4,3 Prozent im Jahr 2010 gesenkt
werden. Die Inflationsrate stieg 2010 im Einklang mit der Wirt-
schaftserholung wieder leicht auf 1,7 Prozent an. Hauptursache
dafür waren steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise. Die
im Rahmen der Budgetkonsolidierung durchgeführten Steuerer-
höhungen werden dazu beitragen, dass sich die Inflationsrate auf
2,2 Prozent für das Jahr 2011 beschleunigen wird.