Michael Seeber
Sterzing, Business,
Kunst & China.
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Eine Fahrt über den Brenner lohnt
sich bekanntlich immer und eine
Begegnung mit einem interessanten
Menschen auch. Michael Seeber,
der Boss des weltweit agierenden
Unternehmens Leitner Technologies,
empfängt mich in seinem Büro in
Sterzing. Kein 50 m
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großes Vorzei-
gebüro, wie man vermuten möchte,
sondern ein kleiner, feiner Raum, in
dem Michael Seeber arbeitet und
nicht repräsentiert. Ein Schild mit
dem Namen des Spitzenmanagers
steht am Schreibtisch, auf Deutsch
und auf Chinesisch. Die Firma baut
derzeit eine große Skistation in China.
In Telfs wird eine neue Produktions-
halle gebaut, in Amerika auch. Dieses
Unternehmen gehört zu den abso-
luten Global Players, geführt wird es
aber von einem kleinen Büro aus, im
Zentrum von Sterzing.
Michael Seeber ist Sterzinger. Nach
dem Gymnasium ging er kurz nach
Wien, hat dort Rechtswissenschaften
studiert und bereits während des
Studiums als Finanz- und Unter-
nehmensberater gearbeitet. Seeber
erkannte, dass er nicht geschaffen
war, die Rechtsanwaltskanzlei seines
Vaters zu übernehmen. Trotzdem
kam er bereits ein Jahr nach Beendi-
gung seines Studiums wieder zurück
nach Sterzing und gründete 1973 mit
seinem Partner Giuseppe Stefani die
Seeste Bau AG, eine Immobilien-Ent-
wicklungsgesellschaft, die auch heute
noch äußerst erfolgreich schwarze
Zahlen schreibt.
Seeber hatte die Idee, auf einem
Grundstück in Sterzing Eigentums-
wohnungen zu errichten. Diese Idee
war damals völlig neu, der erste
„Wohnblock“ in der Stadt sollte entste-
hen, die Möglichkeit, günstig Eigen-
tum zu erwerben, wurde geschaffen.
Er beteiligte den Grundbesitzer an
dem Erlös des Geschäftes und baute
auf seinem Grund. Dieses Modell
wiederholte der damals Fünfund-
zwanzigjährige einige Male und schuf
dadurch Eigenkapital, mit dem weiter-
gebaut werden konnte. Seeste ist
eine Erfolgsgeschichte bis heute, aber
nur eine von vielen Geschichten, die
Michael Seeber zu erzählen hat.
1993 kaufte sich Seeber mit 67 % bei
der Firma Leitner ein, einem Unter-
nehmen, das 1888 als Werkstatt für
Landmaschinen gegründet worden
war. Nach dem Krieg hatte man be-
gonnen, Seilförderanlagen zu bauen,
die Produktion von Landmaschinen
wurde 1970 eingestellt.
Dem Unternehmen ging es schlecht,
als Seeber einstieg, er wollte lediglich
Geld anlegen, nicht operativ in der
Firma tätig werden. Er engagierte an-
fangs einen deutschen Manager, der
zwei Jahre lang sein Glück versuchte,
aber scheiterte, genauso wie sein
italienischer Nachfolger. 1997 wollte
Seeber nicht länger zuschauen und
schaltete sich ein, er übernahm das
Management. Seit damals geht es
bergauf mit der Firma, 592 Millionen
Umsatz, eine Steigerung von 6 % im
Jahr 2006, 119 gebaute Seilförderan-
lagen, 770 verkaufte Pistenfahrzeuge.
Das sind Zahlen! Beeindruckend. Der
Mann hat das Unternehmen zum
Weltmarktführer in der Branche ge-
macht. Eine rückläufige Entwicklung
ist nicht in Sicht. Seeber macht weiter.
Ein richtiger Unternehmer, denke ich
mir. Zielstrebig, ausgestattet mit dem
nötigen Willen, Durchsetzungskraft,
begnadet visionär zu denken, vor
Neuem nicht die Augen zu verschlie-
ßen. Michael Seeber zeigt mir Fotos
von Skistationen in China, von der
Hungerburgbahn in Innsbruck. Er ist
stolz auf das, was ihm und seinen
Mitarbeitern gelungen ist. Tausend
achthundert sind es weltweit, mehr
als achthundert in Südtirol.
Jedes Jahr feiern sie zusammen ein
großes Fest in der Südtiroler Produk-
tionshalle, die neuen Zahlen werden
auf ausdrücklichen Wunsch Seebers
den Mitarbeitern als Erste offengelegt.
Zudem werden Dias aus aller Welt
gezeigt. Sie sollen sehen, was sie
gebaut haben, wo ihre Anlagen ste-
hen, sie sollen stolz auf ihr Werk sein,
genauso stolz wie Michael Seeber.
Nicht nur die umsatzbezogene Ergeb-
nisprämie, die jeder Mitarbeiter nach
zwei Jahren Firmenzugehörigkeit
bekommt, motiviert die Mitarbeiter bei
Leitner Technologies, sondern auch
der Umgang der Geschäftsführung
mit Menschen. Es gibt einen eigenen
sechsundzwanzigseitigen Ethik-Ko-
dex in dieser Firma. Das ist Seeber
wichtig.