Seite 22 - rlb_geschäftsbericht 2007

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Aber irgendwann war die Karenz-
vertretung vorüber. „Ich hätte auf
einmal wieder Kaffee kochen müssen
und das wollte ich nicht. Ich bewarb
mich in Salzburg, bin in ein Flugzeug
gestiegen und habe mich vorgestellt.
Eine Woche später hatte ich den
Job und bin mit einem Koffer dorthin
gezogen.“
Die dreiundzwanzigjährige Sarah
übernahm das Tour-Management
des Kammerorchesters Camerata
Academica. Sie war mit dem Orches-
ter in ganz Europa unterwegs, auch in
Südamerika, sie hatte die Verantwor-
tung für vierzig Musiker, organisierte
ihre Reisen, ihre Aufenthalte. Das
Leben in Salzburg genoss sie, den
Untersberg zwischen den Tourneen,
die Stimmung während der Festspiel-
zeit, die tiefe Provinz das restliche
Jahr über. London, Salzburg. „Das ist
schon hart.“
Ihre Mundwinkel gehen weit nach
oben.
Danach ging sie nach Köln, trotz
Widrigkeiten hatte sie dort ein tolles
Jahr als Disponentin in der Kölner
Philharmonie. Die Stadt, von der sie
dachte, sie wäre groß und weit, war
aber klein und eng, der Job war hart.
Ein Burnout-Job, wie sie sagt. Die
Berge fehlten ihr. Und sie ging nach
Elmau, in der Nähe von Garmisch.
Sie wohnte in Innsbruck und pendelte.
Auf Schloss Elmau organisierte sie
Konzertreihen, kleine Festivals und
Meisterkurse. Drei Jahre lang. „Ich
habe das alles entstaubt dort, habe
diesen Ort aus dem Dornröschen-
schlaf geküsst. Ich habe tolle Künstler
dorthin geholt, das war Kultur pur.“
Dann kam Innsbruck. Die Festwo-
chen.
Sie wollte mehr, sie wollte unbedingt
ein großes Festival leiten, alles ma-
chen, nicht nur das Programm wie
in Garmisch, nein, sie wollte die volle
Verantwortung, vom Ticketing, Spon-
soring bis zum Marketing, sie wollte
alle Fäden in der Hand halten.
Im Jahr zweitausend wurde sie Ge-
schäftsführerin der Festwochen der
Alten Musik. Der Verein wurde in eine
GmbH umgewandelt und erfuhr durch
Sarah Wilson eine starke Professi-
onalisierung. „Wir sind genauso ein
wirtschaftliches Unternehmen wie ein
Shoe-Shop, wir verkaufen Erlebnisse,
wir vermitteln unserem Publikum die­
se spezielle Art von Musik, erklären
die Hintergründe, bringen alte Instru-
mente zum Klingen.“ Sie führt dieses
Unternehmen ausgezeichnet. Die
Besucherzahlen sprechen für sich,
immer neue Highlights überraschen,
lenken die internationale Aufmerk-
samkeit auf Innsbruck.
„Wir sind nicht Salzburg: Salzburg
ist Mainstream, das zieht die Kultur-
Massen an, wir machen etwas völlig
anderes, wir schaffen einen Boden
für die alte Musik.“ Eine Kooperation
mit der Berliner Staatsoper und die
Zusammenarbeit mit dem künstleri-
schen Leiter René Jacobs garantieren
jedes Jahr, dass dieser Boden auch
fruchtbar bleibt.
Seit 2004 organisiert sie zusätzlich
zu den Festwochen auch die Meis-
ter- und Kammerkonzerte, fünfzehn
Konzerte über das Jahr. „Das macht
mir unheimlichen Spaß, die Abwechs-
lung, die verschiedenen Musikrich-
tungen nebeneinander zu sehen, zu
hören, meine vielfältigen Künstlerkon-
takte einsetzen zu können. Ich habe
einen wunderbaren Job.“
Sarah Wilson erzählt von sich, sie
reist durch ihr Leben, im Schnellvor-
lauf. Es ist ein Vergnügen, ihr zuzuhö-
ren. Immer noch versuche ich Wörter
zu finden, die sie beschreiben. Sie ist
selbstbewusst, herzlich, bestimmt,
bodenständig, mutig, und sie hat wohl
das Reisefieber. Ständig redet sie von
der großen weiten Welt, von Musikern
in aller Herren Länder, von Städten, in
denen sie gerade war, in die sie bald
fahren wird. Es gibt fast keine europä-
ische Stadt, in der sie noch nicht war,
sagt sie und grinst. Sie braucht das.
„Ich muss sehr aus Innsbruck raus,
ich muss die Künstler suchen und
dann wieder mit ihnen nach Innsbruck
zurückkommen. Dass ich hier lebe,
geht nur, weil ich immer wieder von
hier weggehen darf.“ Auf ihren Reisen
trifft sie Musiker, knüpft Kontakte,
gewinnt neue Freunde.
Die Welt der Musik fasziniert sie. Und
das spürt man.
Die gebürtige Britin hinterlässt bereits
seit einem Jahrzehnt ihre musika-
lischen Spuren in Österreich. Sarah
Wilson hat in Tirol die Innsbrucker
Festwochen der Alten Musik seit 2000
maßgeblich geprägt. Als Geschäfts-
führerin managt sie das Festival zur
Pflege der Alten Musik und hat es zu
einem Paradefestival in Österreich
mitentwickelt. Unter ihr ist das Jahres-
budget auf EUR 3 Mio. angewachsen.
2007 erfreuen sich die Innsbrucker
Festwochen der Alten Musik über
eine Auslastung im Kartenvorverkauf
von 98 Prozent. Sarah Wilson lebt in
Absam in Tirol.