Sarah Louise Wilson
London, Innsbruck -
One way.
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„Ich komme aus London, habe
eine dieser Supermädchenschu-
len besucht, etwas außerhalb, sehr
leistungsorientiert alles, Superdruck
und so, dann bekam ich einen Platz in
Cambridge. Musiziert habe ich immer
schon, Geige gespielt, in der Schule,
während des Studiums. Meine Eltern
sind beide Musiker, mein Vater war
bei der BBC, ich konnte dadurch
sehr viel in Konzerte gehen, erlebte
großartige Künstler auf der Bühne.
Meine Schwester ist Sängerin, sie lebt
in London, war mit mir in Cambridge.
Ich komme aus einer Künstlerfamilie.
Ich bin achtunddreißig, aber es ist so
unwichtig, das Alter. Solange man
nicht vierzig ist.“ Sarah Wilson lacht.
Ihr ganzes Gesicht lacht.
Sie startet mit einem Sprint in unser
Gespräch, kommt ohne Umwege zur
Sache. Während sie spricht, versuche
ich sie zu begreifen, ich höre ihr zu,
versuche ihr zu folgen, schaue sie
an. Ein fröhliches Wesen, umtriebig,
quirlig fast, meistens ein Lächeln im
Gesicht, professionell, ausnehmend
freundlich, ein richtiger Sonnenschein.
Sarah Wilson ist nicht mehr wegzu-
denken aus der Tiroler Kulturszene,
sie ist verantwortlich dafür, dass
sich Innsbruck im Sommer mit alter
Musik erfüllt, dass Spitzenmusiker im
Spanischen Saal auf alten Instrumen-
ten spielen und dass das Publikum
Jahr für Jahr begeistert von einem
Konzert zum anderen pilgert. Sie und
ihr Team haben Innsbruck zu einem
internationalen Zentrum für alte Musik
gemacht.
Der Reihe nach. Diese Karriere ist wie
ein Roadmovie.
Bevor sie nach Innsbruck kam, hat
sie viel gelernt, war sie viel unter-
wegs, überall auf der Welt. Sie war
ein Streberkind, wie sie selbst sagt,
sie hatte immer die besten Noten, hat
musiziert und gelernt, war gut genug
für Cambridge, hat die sehr schwie-
rige Aufnahmeprüfung geschafft, hat
Deutsch und Französisch studiert.
Drei Jahre lang, Tag und Nacht. „Das
ist etwas anders als hier auf der Uni,
das System in Oxford und Cambridge
ist ein Elitesystem, Leistung ist un-
heimlich wichtig, man hat wenig Frei-
heiten, das waren drei harte Jahre.“
Nach der Uni musste sie sich ein-
gestehen, dass sie musikalisch nie
herausragende Leistungen vollbrin-
gen würde, dass sie nicht gut genug
war für eine Karriere als Solo-Gei-
gerin. Trotzdem wollte sie Musik in
ihrem Leben haben. Sie beschloss,
im Musikmanagement zu arbeiten,
und bewarb sich mit einundzwanzig
Jahren bei den unterschiedlichsten
Agenturen, Orchestern und Veranstal-
tern. Obwohl sie sehr glücklich dar-
über war, dass sie diese Ausbildung
genießen durfte, wollte sie nichts „Ver-
staubtes“ mehr machen, wie sie sagt.
Ursprünglich wollte sie Diplomatin
werden, sie verwarf dieses Vorhaben
aber, sie wollte den altehrwürdigen
Institutionen den Rücken kehren und
tat das auch.
Unerwartet bekam sie einen Job bei
der Firma IMG, einer großen ameri-
kanischen Musikmanagementfirma.
Sie organisierte Europatourneen für
diverse Orchester. „Normalerweise
darfst du da Kaffee kochen, wenn
du von der Uni kommst, oder du
wirst mitgeschickt, um Briefmarken
zu kaufen. Ich hatte zum Glück eine
Karenzvertretung und konnte da-
durch Sachen machen, die ich sonst
niemals machen hätte dürfen.“ In der
Folge tourte sie mit den St. Petersbur-
ger Philharmonikern durch Europa,
neunundzwanzig Konzerte in acht
verschiedenen Ländern. Sie war zu-
ständig für die komplette Abwicklung,
war das Mädchen für alles, organi-
sierte, managte die Tour. „Ich habe es
geliebt, jeden Abend einen anderen
Konzertsaal zu sehen, mit den Musi-
kern zu reisen. Wir waren 120 Leute,
zwei Dolmetscher und ich.“